#11 Über Einsamkeit, Zeit und Geld
Über die Sehnsucht nach der Heimat, eine neue Form der Einsamkeit, eine rhetorische Meisterleistung und einen nachhaltigen Weihnachtsbaum
Einen wunderschönen guten Morgen ✌🏼
Ich hoffe, es geht euch gut und dass ihr weiterhin alle gesund seid.
In unserem Hause steigt die Vorfreude auf Weihnachten allmählich spürbar. Zum einen, weil das in meinem Fall bedeutet, dass ich zwei Wochen entspannen und meine Batterien aufladen kann. Zum anderen, weil ich diese Woche auch etwas Heimweh verspürte. Aufgrund der Pandemie habe ich vor allem meine Oma in den letzten zwei Jahren nur sehr selten gesehen. Gestern haben wir telefoniert, sie mir gesagt, dass sie uns sehr vermisst und ich hatte daraufhin einen Kloß im Hals. Aber das Schöne: Es sind nichtmal mehr zwei Wochen und alle geboostert.
Ansonsten war meine Woche recht turbulent. Vieles sollte und wollte erledigt werden. Da war ich sehr froh, dass wir uns in der Familie dazu entschieden haben, uns nichts zu Weihnachten zu schenken bzw. stattdessen einfach „nur“ die gemeinsame Zeit. Schon komisch: Wenn man noch jünger ist – in der Schule und im Studium – hat man verhältnismäßig wenig Geld, dafür aber verhältnismäßig viel Zeit. Jetzt verhält es sich genau umgekehrt: Mehr Geld, aber dafür deutlich weniger Zeit.
Nächste Woche steht meine letzte volle Arbeitswoche in diesem Jahr an. Und die Darts WM beginnt. Falls ihr noch nie Darts geguckt habt, probiert es mal. Ich bin leidenschaftlicher Fan und finde es – und das erstaunt mich jedes Jahr aufs Neue – deutlich spannender als ein Fußballspiel. Mehr dazu dann in der nächsten Ausgabe.
Jetzt gleich werden wir frühstücken, Plätzchen backen, ein wenig lesen und spazieren gehen. Welches Buch ich gerade lese und empfehlen kann, erfahrt ihr jetzt. In diesem Sinne: Viel Spaß mit meinen Highlights der Woche.
1. Weihnachtsbaum-as-a-Service
Falls ihr noch keinen Weihnachtsbaum habt und ähnlich wie wir, immer wieder darüber diskutiert, ob ihr euch einen anschaffen wollt, könnte das folgende Geschäftsmodell durchaus interessant sein. Zumindest dann, wenn ihr in der Nähe Berlins wohnt. Die Idee: Weihnachtsbaum-as-a-Service oder auch „Weihnachtsbaumvermietung“. Das Prinzip: Ihr mietet eine wiedereinpflanzbare Nordmanntanne und tut damit dreifach Gutes: Euch selbst und eurer Weihnachtsstimmung, dem Baum und der Umwelt und schließlich dem/der Vermieter:in. Win-win-win.
2. Einsame Spitze
Habt ihr euch in den letzten Wochen einsam oder gar sehr einsam gefühlt? Studien zufolge fühlt sich jeder sechste Deutsche einsam oder gar sehr einsam. Das sind erschreckende Zahlen, weil sie nicht nur großes psychisches Leid bedeuten, sondern neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen nach auch große physische Schäden zur Folge haben. In ihrem Buch »Die neue Einsamkeit« enttabuisiert die Politikerin und Unternehmerin Diana Kinnert eines der wohl wichtigsten Themen unserer Zeit: Einsamkeit. Sie legt den Finger schonungslos in die Wunde, erklärt, was Globalisierung, Digitalisierung und nicht zuletzt Individualisierung mit der neuen Form von Einsamkeit zu tun haben, die nicht mehr nur Ältere, sondern auch zunehmend Jüngere betrifft. Einer der bisher klügsten Gedanken, die ich in dem Buch gelesen habe: Einsam ist man immer nur gemeinsam, das heißt, wenn man unter Menschen ist. In »gemeinsam« steckt das Wort »einsam«. Paradox. Und wahr.
Diana Kinnert – Die neue Einsamkeit
3. Armut ist nicht ein Mangel an Charakter, sondern ein Mangel an Geld
Ein TED-Talk, der noch lange in mir nachhallen wird und mir erst gestern Abend empfohlen wurde: Der Historiker Rutger Bregman erzählt von einem Experiment, bei dem Forscher:innen die Intelligenz von Bauern untersucht haben, die in einer Jahreshälfte sehr reich waren (unmittelbar nach der Ernte) und in der anderen Jahreshälfte sehr arm. Das Ergebnis: Ihr Intelligenzquotient war in der „Armutsphase“ 14 Punkte niedriger. Die Schlussfolgerung: Armut ist kein Mangel an Charakter, sondern ein Mangel an Geld. Weitere Studien folgten. Und auch sie belegten diese These. Wer in Armut groß wird, wird in Zuständen groß, die dem permanenter Trunkenheit und Schlafentzug ähneln. Ein Talk, der so viel mehr thematisiert als nur Armut: den Sinn von Arbeit, das bedingungslose Grundeinkommen und die Verpflichtung, die wir in einer Gesellschaft füreinander haben. Rhetorisch eine Meisterleistung. Ich hatte Gänsehaut, war schockiert und fasziniert. Unbedingt anschauen.
Rutger Bregman – Poverty isn’t a lack of character. It’s a lack of cash.
4. Ein Zeitungsabo, das sich lohnt
Wir lesen seit einigen Wochen wieder die „ZEIT“ – ich digital, meine Frau analog. Doch ganz gleich, wie wir die ZEIT lesen, wir finden sie beide großartig. Die Wochenzeitung hat für uns etwas herrlich entschleunigendes. Und sowieso macht die ZEIT in meinen Augen in den letzten Jahren Vieles richtig. Wahrscheinlich eines der digitalsten und modernsten Medienhäuser Deutschlands, das sich konsequent nach den Bedürfnissen der Zielgruppe ausrichtet.
5. Pfannkuchen für den Sonntag
Der Sonntag beginnt bei uns mit der Frage: dünn oder dick. Die Rede ist von Pfannkuchen und von „Thomas kocht“. Wer treue:r Leser:in ist, weiß, dass wir auf die Rezepte von „Thomas kocht“ schwören. Und auch sein Pfannkuchenrezept ist sehr lecker. Ich bevorzuge eher die dünnen, meine Frau eher die dicken Pfannkuchen. Am Ende sind beide aber vor allem eines: besonders lecker. Insbesondere mit Ahornsirup als Topping.
Dünne Pfannkuchen
Dicke Pfannkuchen
Zitat der Woche
Das Zitat der Woche stammt von Rutger Bregman aus seinem TED-Talk:
I believe in a future, where the value of your work is not determined by the size of your paycheck but by the amount of happiness you spread.
Habt einen wunderschönen dritten Adventssonntag ✌🏼
Euer Max