Reden ist Silber, Zuhören ist Gold.
Wie du lernst, besser zuzuhören
Max, du bist kein guter Zuhörer.
Das hat mir meine Frau immer wieder mal an den Kopf geschmissen. Ich hab das lange Zeit nicht ernst genommen. Um ehrlich zu sein, dachte ich mir: Du weißt aber schon, was ich mache? Ich höre den ganzen Tag Menschen zu, um dann ihre Geschichten zu erzählen. Ich muss gut zuhören können.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir aber: Meine Frau hat recht. Beruflich bin ich ein guter Zuhörer, privat aber mitnichten. Es gibt nämlich einen großen Unterschied zwischen Zuhören und darauf zu warten, dass man sprechen darf. Und privat machte ich oftmals Letzteres. Der größte Gamechanger für mich: Zu verstehen, dass nicht ich entscheide, ob ich ein guter Zuhörer bin, sondern mein Gegenüber. Und zu verstehen, dass es beim Zuhören nicht immer nur darum geht, zu helfen, indem man eine Lösung präsentiert. Manchmal geht es eben nur darum: Zuzuhören. Und nicht viel zu sagen.
Nachfolgend sieben Tipps, mit denen auch dir das Zuhören in Zukunft besser gelingt.
1. Höre zu, warte nicht darauf, zu sprechen
Auch wenn du in Versuchung kommst, das dir gerade Vorgetragene mit einer eigenen Erfahrung zu verbinden: Lass es. Widerstehe der Versuchung, von dir selbst zu sprechen. Oder wie es die Radiomoderatorin Celeste Headlee in einem TEDx-Talk sehr schön auf den Punkt gebracht hat:
Wenn sie davon sprechen, dass sie ein Familienmitglied verloren haben, dann sprich nicht davon, wie du ein Familienmitglied verloren hast. Wenn sie über ihre Probleme bei der Arbeit sprechen, erzähl ihnen nicht, wie sehr du deinen Job hasst. Das ist nicht das Gleiche. Es ist nie das Gleiche. Alle Erfahrungen sind individuell. Und, was noch wichtiger ist, es geht nicht um dich.
2. Beende nicht das, was die andere Person…
Wir Menschen denken vier Mal schneller als wir reden. Einige Personen – ich gehöre leider manchmal dazu – neigen dazu, den Satz oder Gedanken des Gegenübers zu beenden. Auch wenn es schwer fällt oder dein Gegenüber scheinbar besonders langsam redet, unterbrich die Person nicht. Auch wenn du das Gefühl hast, dass du dadurch vielleicht sogar besondere Empathie zeigst. Die Wahrheit ist: Das tust du nicht. Du bist unhöflich.
3. Sei ein:e Freund:in, kein:e Richter:in
Widerstehe dem Impuls, der anderen Person einen Rat zu geben – es sei denn, sie bittet dich ausdrücklich darum. Höre einfach nur zu und zeige auch, dass du zuhörst, indem du das Gespräch auf einen wichtigen Teil der Geschichte zurückbringst, den du dir gemerkt hast:
Vorhin sagtest du, dass...
So zeigst du Interesse und signalisierst, dass du aufmerksam zuhörst. Kurzum: Ersetze ein Urteil oder einen Ratschlag durch Neugierde.
4. Achte auf deine Körpersprache
Augenkontakt, eine aufmerksame Körperhaltung, Nicken und andere nonverbale Signale sind wichtig, damit die andere Person weiß, dass du zuhörst. Es sind diese kleinen Dinge, die den Unterschied machen.
5. Paraphrasiere nur, wenn du es musst
Ich neige immer dazu, das Gesagte in eigenen Worten zu paraphrasieren. Im beruflichen Kontext mag das sogar durchaus sinnvoll sein. In anderen Kontexten stört es aber eher, weil dein Gegenüber überprüfen muss, ob es stimmt und du Redeanteile wegnimmst. Verwende die Paraphrasierung daher nur, wenn du dein eigenes Verständnis überprüfen musst – und sage das dann ausdrücklich:
Ich werde das kurz in meinen eigenen Worten wiedergeben, um sicherzustellen, dass ich es verstanden habe.
Höre ansonsten einfach zu und gib nonverbale Zeichen, die das signalisieren.
6. Sei ehrlich und menschlich
Wenn du zu Beginn eines Gesprächs weißt, dass du nicht gut zuhören kannst – zum Beispiel, weil du den ganzen Tag bisher nur in Meetings gewesen bist – lass es die andere Person wissen. Wenn du während des Gesprächs den Faden verlierst, gib das offen zu. Das ist nur menschlich. Ich selbst hatte mal ein Gespräch mit einer Person, die am Anfang meinte:
Max, um ehrlich zu sein bin ich heute nicht gut drauf, ich hatte schon sehr viele Meetings und trotzdem ist es wichtig, dass wir heute sprechen. Ich bitte daher schonmal um Entschuldigung, dass ich unaufmerksamer bin als sonst. Das liegt nicht daran, dass ich dir nicht zuhören will oder ich dich nicht wertschätze.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass die andere Person teilweise unaufmerksam war. Aber es kontextualisierte das Verhalten und gab mir ein deutlich besseres Gefühl.
7. Vermeide Ablenkungen
Jedes Mal, wenn ich mit einer Person spreche und diese Person nebenbei ihr Handy rausholt oder es auf den Tisch legt, ist das wie eine verbale Ohrfeige (bedenke: man kann nicht nicht kommunizieren). Versuche nach Möglichkeit, jede Ablenkung zu vermeiden. Laptop zu (Stift und Papier tun es auch). Und wenn du das Handy auf den Tisch legen musst, erkläre wieso (dir wird auffallen, dass es nur sehr selten einen guten Grund gibt).
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🎤 Warum unsere eigene Körpersprache Einfluss darauf hat, wer wir sind, erklärt die Sozialpsychologin Amy Cuddy in ihrem sehr sehenswerten TED-Talk.
Zitat der Woche
»The most romantic gift: to listen to another’s anxieties for one hour, without judgement or solutions, as an analyst might.«
– Alain de Botton
Ich wünsche dir einen wunderschönen Sonntag ✌🏼
Max